160 Jahre SPD.

Seit 1863 im Einsatz für Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

2023 feiern wir das 160-jährige Bestehen der SPD. Als Arbeiterpartei gegründet, wächst die SPD zur Partei für Freiheit und Gerechtigkeit. Bis heute ist unser Grundverständnis, dass jeder Mensch die gleichen Chancen haben sollte.

Start in unruhigen Zeiten für eine bessere Zukunft

Im 19. Jahrhundert wächst der Widerstand gegen die Macht von Adel und Kapital. Es beginnt ein langer Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit, der auch zur Keimzelle der Sozialdemokratie werden wird. Doch damals gab es „die“ SPD noch nicht. Vielmehr waren es zwei Bewegungen, die als Vorläufer unserer Partei gelten.

Als erste Vorläuferin der Partei kann so der 1863 gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) genannt werden. Um der Arbeiterschaft im Deutschen Bund, dem damals vorherrschenden Nationenkonstrukt, ein politische Vertretung zu ermöglichen, gründen Ferdinand Lassalle und die Delegierten am 23. Mai 1863 in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein.

Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist. (Ferdinand Lassalle)

Ein wichtiges Anliegen bildet dabei die „soziale Frage“. Auch wenn das Bürgertum mit seinen liberalen Ideen langsam Fuß fasste, und seit 1861 auch viele „Arbeiterbildungsvereine“ gegründet Orden sind, gab es dennoch keine große Mitbestimmung für die Arbeiterschaft. Sie waren auch weiterhin Menschen zweiter Klasse. So erwuchs der Wunsch, selbst politisch aktiv zu werden.

So beschloss eine große Arbeiterversammlung in Berlin am 2. November 1862, einen allgemeinen deutschen Arbeiterkongress in Leipzig einzuberufen. Zum Vorbereitungsteam gehörten unter anderem Friedrich Wilhelm Fritzsche, Julius Vahlteich und August Bebel an. Am 4. Dezember 1862 wandten sich dann Vertreter des „Leipziger Komitees“ per Brief an Ferdinand Lassalle, der gerade mit seinen Ideen zur Arbeiterschaft für Aufsehen gesorgt hatte. In ihrem Brief sprachen sie sich für Lassalle als Anführer der neuen Bewegung aus. Lassalle war sehr interessiert und antwortete:

„Der Arbeiterstand muss sich als selbstständige politische Partei konstituieren und das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht zu dem prinzipiellen Losungswort und Banner dieser Partei machen. Die Vertretung des Arbeiterstandes in den gesetzgebenden Körpern Deutschlands – dies ist es allein, was in politischer Hinsicht seine legitimen Interessen befriedigen kann.“ (Antwortschreiben, Seite 7)

Die Empfänger des Schreibens waren begeistert. Lassalle war für ihre Sache gewonnen und sprach sich sogar für die Gründung einer Arbeiterpartei aus. Als Termin für den feierlichen Akt der Gründung wurde der 23. Mai 1863 festgelegt. Doch Lassalles Ideen kamen nicht überall gut an und so spaltet sich die Arbeiterschaft in die Anhänger des liberalen Schulze-Delitzsch und in die Lassalles. Der ADAV proklamierte gemäß dem „Arbeiterprogramm“ Lassalles den Aufbau von gemeinsam durch die Arbeiter geführten Betrieben. Zu diesen Genossenschaften gehörte laut Lassalle eine selbstständige Organisierung. In Anlehnung an das kommunistische Manifest von Karl Marx rief man auch dazu auf, sich in eigenen Organisationen zusammenzuschließen 1.

Übrigens: Einen spannenden Artikel zur Gründung des ADAV könnt ihr hier finden.

Einen zweiten Vorläufer der SPD bildet die 1869 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Nach dem ADAV war die in Eisenach gegründete Partei de zweite Arbeiterpartei auf deutschem Gebiet. Die Gründung der SDAP, die vor allem von Wilhelm Liebknecht und August Bebel vorangetrieben wurde, war ein wichtiger politischer Impuls in der Geschichte der SPD. Mit Ihrer Gründung verbreiterte sich die politische Kraft der Arbeiterschaft erheblich.

Die SDAP setzte auf einen dezentralen Parteiaufbau und organisierte die politische Willensbildung von unten nach oben. Diese Prinzipien, die bisherige Politikansätze überwanden und den Arbeitern mehr Einfluss und Macht beim Kampf um ihre Rechte versprachen, kennen wir heute als Grundwerte der SPD. In ihren grundsätzlichen programmatischen Zielen unterschieden sich die „Lassalleaner“ und „Eisenacher“ dagegen kaum.

Trotz anfänglicher Konkurrenz zwischen den neuen Arbeiterparteien, die stark von den handelnden Personen geprägt war, entwickelte sich schnell eine inhaltliche Verknüpfung, die schließlich im Gothaer Vereinigungsparteitag mündete. Auch die zunehmenden Repressionen gegen sozialdemokratische Organisationen verstärkten den Willen der Arbeiterbewegung nach einer einheitlichen Partei. Mit der Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei im Jahr 1875 stieg die Sozialdemokratie endgültig zur entscheidenden politischen Kraft auf, die sich im neu gegründeten Deutschen Reich wie keine andere für die Rechte der Arbeiter und die Demokratisierung von Staat und Gesellschaft einsetzte. 1890 nannte sich die Partei um in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Von da an war sie bis 1930 bei allen Reichstagswahlen die stimmstärkste Partei – trotz der Repressalien, die wir als SPD durch die Reichsregierung unter Otto von Bismarck erfahren haben.

Demokratisch. Immer.

Aber auch in historisch schweren Zeiten konnten sich die Menschen auf die Sozialdemokratie verlassen. Wir stehen seit jeher für Frieden und Demokratie. Angesichts des drohenden Krieges 1914 veranstaltete die SPD Demonstrationen gegen den Krieg und wollte die eigenen internationalen Netzwerke nutzen, um zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln. Letztlich stimmte man jedoch der Gewährung von Kriegsanleihen zu, da man auch in den linken Parteiflügeln zu der Einsicht kam, dass ein Krieg unvermeidbar sei.

Zur selben Zeit bezog man in Braunschweig auch die neuen Räumlichkeiten der SPD in der Schloßstraße. Bereits 1913 hatte man mit dem Neubau begonnen, sodass im April 1914 das „rote Schloss“ bezogen werden konnte 2. Auch in Braunschweig rief man zu Gegendemonstrationen auf. Noch am 28. Juli 1914, also genau Tag der österreichischen Kriegserklärung, versammelte man die Menschen bei einer Demonstration unter dem Motto „Nieder mit dem Massenmord“ 2. Doch mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten änderte sich auch die Stimmung in der Region. Man wollte sich nicht gegen das „Vaterland“ stellen und stimmte somit dem „Burgfrieden“ zu. In diesen Zeiten konnte man im Volksfreund, der Parteizeitung der damaligen SPD Braunschweig, folgendes Gedicht lesen:

„Wir ziehen mit, wir Vaterlandslosen.

Wir ziehen mit fürs deutsche Vaterland.

Engländer, Russen, Belgier und Franzosen,

Kommt nur heran! Die Roten halten stand“ (Ludewig, Seite 39)

Viele SPD-Mitglieder der damaligen Zeit wurden mit dem Fortschreiten des Krieges zunehmend kritischer, was die kriegsbilligende Haltung der Partei anging. So kam es zur Gründung der USPD (Unabhängige SPD) und zahlreichen Auseinandersetzungen. Als dann im Jahre 1918 die Kriegsmüdigkeit um sich griff, traten Vertreter der SPD in die neue Reichsregierung ein, um das Deutsche Reich zu demokratisieren. Die USPD hingegen wandte sich zwar gegen die Unterstützung der kaiserlichen Regierung, wollte aber auch nicht auf einen revolutionären Wandel setzen.

Mit dem Start der Novemberrevolution wurden jedoch all diese Bemühungen zu Nichte gemacht. Mit der raschen Verbreitung der Arbeiter- und Soldatenräte im ganzen Reich demonstrierte die Arbeiterschaft ihre Macht. Das Ziel dieser Räte war aber nicht die Errichtung einer Räteherrschaft nach sowjetischen Vorbild. Vielmehr ging es den Menschen um die rasche Beendigung des Krieges, die Sicherung der Versorgungslage und die Demokratisierung des Reiches. In Braunschweig kanalisierte die USPD diese Bemühungen, sodass es am 08. November 1918 zu einer großen Demonstration gegen den damaligen Herzog und seine Minister kam. Menschen strömten auf den Schlossplatz, hissten die rote Arbeiterfahne auf dem Schlossdach und zwangen den Herzog zur Abdankung. Damit nahm der Braunschweiger Arbeiter- und Soldatenrat die Arbeit auf 2. Damit nahm man die Geburt der ersten deutschen Republik schon vorweg, denn am 09. November 1918 proklamierte Philipp Scheidemann in Berlin die Republik.

Übrigens: Hier könnt ihr ein Tondokument zu diesem historischen Tag finden.

Bei den ersten Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung kamen SPD und USPD auf 45,5% der Stimmen und so wählte man am 11. Februar 1919 den bisherigen Reichskanzler Friedrich Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten. Die Position des Kanzlers übernahm Phillipp Scheidemann. Mit dieser historischen Entscheidung war erstmals ein Sozialdemokrat zum deutschen Staatsoberhaupt berufen worden. Im Amt blieb Ebert übrigens bis zu seinem Tod im Jahr 1925.

1919 markiert auch einen Wendepunkt für die Braunschweigische USPD. Nach einem haushohen Sieg bei den Parlamentswahlen ging man mit der SPD eine Art „Klassenbündnis“ ein und lenkte die Geschicke 3. Dieses Bündnis festigte sich über die nächsten Jahre, sodass man 1922 gemeinsam Wahlkampf führte. Bis zum Ende dieser linken Koalition konnten zahlreiche Demokratisierungsmaßnahmen umgesetzt und zwei Feiertage eingeführt werden 3.

Es folgten instabile Zeiten für die USPD – nicht nur in der Region Braunschweig, sondern auch im ganzen Reichsgebiet. Am 14. Juli 1922 schlossen sich zu erst die beiden Reichstagsfraktionen von USPD und SPD zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen. Wenig später folgte dann die Wiedervereinigung der Parteien am 24. September 1922 auf einem gemeinsamen Parteitag in Nürnberg 4. Der offizielle Parteiname lautete nun Vereinigte Sozialdemokratische Partei Deutschlands (VSPD), der aber 1924 wieder auf SPD verkürzt wurde.

 

 

Übrigens: Noch mehr Infos zur SPD Wolfsburg und deren Gründung könnt ihr bei eurem nächsten Ortsverein erfragen.

Quellen:

Lassalle, F. (1863). Offenes Antwortschreiben an das Central-Comité zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeitercongresses in Leipzig. https://library.fes.de/prodok/fa90-02370.pdf

1 Sprenger, C. & Deutsches Historisches Museum Berlin (2007, 29. März). Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV). LeMo (Lebendiges Museum Online). https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/innenpolitik/adav

2 Ludewig, H.-U. (2015). Die Braunschweiger SPD im Krieg und in der Revolution. In 150 Jahre SPD im Braunschweiger Land (S. 36–52). SPD-Bezirk Braunschweig.

3 Rother, B. (2015). Politik in unruhigen Zeiten – Die Braunschweigische Sozialdemokratie 1920 bis 1930. In 150 Jahre SPD im Braunschweiger Land (S. 53–81). SPD-Bezirk Braunschweig.

4 Kalmbach, K. & Deutsches Historisches Museum Berlin (2014, 06. September). Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). LeMo (Lebendiges Museum Online). https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/uspd